Sonntag, 25. April 2021

Irritation als Lernanlass:

Ortfried Schäffter, Irritation als Lernanlass:


"Nicht jede Irritation wird mit Lernen beantwortet - sie kann aber als Lernanlass aufgegriffen und genutzt werden."

"Lehren und Lernen wirken dann als Mobilisierungsereignis, wenn Irritation als Bedarf an einer kognitiven Klärung gedeutet werden muss. Damit ist jedoch noch nicht mitentschieden, wer im einzelnen lernbedürftig ist: das wahrnehmende (irritierte) oder das wahrgenommene (irritierende) System. Das Diskrepanzerlebnis verweist zunächst grundsätzlich auf Lernbedarf."

"Verstörung des Eigenen, als Unterbrechung von Routinen und Selbstverständlichkeiten[.]"

"Gerade aus dem Blickwinkel der Erwachsenenbildungspraxis - und in noch gesteigerter Bedeutung beim Lernen mit Älteren, erfahrungsgeprägten Menschen - stellt sich die Frage, wie Neuartiges und Fremdes überhaupt auf der Wahrnehmungsoberfläche eines gefestigten kognitiven Systems erscheinen kann."

"Etwas Neues und Fremdes kann auf zweierlei Weise am Horizont eines wahrnehmenden Sinnsystems erscheinen: einerseits als erwartbare, bereits bekannte Neuheit bzw. als konkret bestimmbares Fremdes und andererseits als Potentialität für neuartige, substantiell noch unbestimmbare Erfahrungsmöglichkeit. Im zweiten Modus wird der Kontakt mit völlig neuen Einsichten, zutiefst befremdlichen Deutungsmustern und mit bislang unbekannten Wissenszusammenhängen möglich. Er beruht jedoch nicht auf einem unmittelbaren, rezeptiven Erkennungsvorgang, denn sonst wäre das Fremde nicht fremdartig und das neue Wissen bereits im Grundsatz bekannt."

"Neuartige Wissens- und Bedeutungsstrukturen werden auf der Wahrnehmungsoberfläche eines gefestigten kognitiven Systems erfahrbar als Störung des Gewohnten. Sie wirken als „Stein des Anstoßes“, als etwas, das dem Vorverständnis gegenüber Widerstand leistet und daher Überraschung oder Enttäuschung auslöst."

"das Aufscheinen von Neuem auf der Rezeptionsseite eines kognitiven Systems wird als Irritation erfahrbar."

"Irritation als Markierung aktivierter Verstehensgrenzen und damit als Anknüpfungspunkt zur Grenzüberschreitung ..."

"[Bestätigungslernen:] Dieser Begriff bezeichnet Aneignungsprozesse, in denen „neue“ Informationen assimilativ (PIAGET) den eigenen Wissensstrukturen und Deutungsmustern unterworfen und so passgenau „zugerichtet“ werden, dass sie das bisherige Weltbild sichern und eben nicht irritieren."

"[Mobilisierungsereignis:] In diesem Bewegungsbegriff soll zum Ausdruck gebracht werden, dass nun Irritation nicht über Negation, Trivialisierung oder Banalisierung außer Kraft gesetzt, sondern dass sie zum Anlass für unmittelbar daran anschließende Aktivitäten genommen wird."

"Irritation wird als Enttäuschung von Erwartungen erkennbar, die als selbstverständlich unterstellt worden waren, und man steht vor der Entscheidung, „ob man in diesem Falle die Erwartung aufgeben oder ändern würde oder nicht. Lernen oder Nichtlernen, das ist die Frage."

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