Ortfried Schäffter, Irritation als Lernanlass:
"Nicht jede Irritation wird mit Lernen beantwortet - sie kann aber als Lernanlass aufgegriffen und genutzt werden."
"Lehren und Lernen wirken dann als Mobilisierungsereignis, wenn Irritation als Bedarf an
einer kognitiven Klärung gedeutet werden muss. Damit ist jedoch noch nicht mitentschieden,
wer im einzelnen lernbedürftig ist: das wahrnehmende (irritierte) oder das wahrgenommene
(irritierende) System. Das Diskrepanzerlebnis verweist zunächst grundsätzlich auf
Lernbedarf."
"Verstörung des Eigenen, als Unterbrechung von Routinen und
Selbstverständlichkeiten[.]"
"Gerade aus dem Blickwinkel der Erwachsenenbildungspraxis - und in noch gesteigerter Bedeutung beim Lernen mit Älteren, erfahrungsgeprägten Menschen - stellt sich die Frage, wie Neuartiges und Fremdes überhaupt auf der Wahrnehmungsoberfläche eines gefestigten kognitiven Systems erscheinen kann."
"Etwas Neues und Fremdes kann auf zweierlei Weise am Horizont eines wahrnehmenden
Sinnsystems erscheinen: einerseits als erwartbare, bereits bekannte Neuheit bzw. als konkret
bestimmbares Fremdes und andererseits als Potentialität für neuartige, substantiell noch
unbestimmbare Erfahrungsmöglichkeit. Im zweiten Modus wird der
Kontakt mit völlig neuen Einsichten, zutiefst befremdlichen Deutungsmustern und mit bislang
unbekannten Wissenszusammenhängen möglich. Er beruht jedoch nicht auf einem
unmittelbaren, rezeptiven Erkennungsvorgang, denn sonst wäre das Fremde nicht fremdartig
und das neue Wissen bereits im Grundsatz bekannt."
"Neuartige Wissens- und
Bedeutungsstrukturen werden auf der Wahrnehmungsoberfläche eines gefestigten kognitiven
Systems erfahrbar als Störung des Gewohnten. Sie wirken als „Stein des Anstoßes“, als etwas,
das dem Vorverständnis gegenüber Widerstand leistet und daher Überraschung oder
Enttäuschung auslöst."
"das Aufscheinen von Neuem auf der Rezeptionsseite eines
kognitiven Systems wird als Irritation erfahrbar."
"Irritation als Markierung aktivierter Verstehensgrenzen und
damit als Anknüpfungspunkt zur Grenzüberschreitung ..."
"[Bestätigungslernen:] Dieser
Begriff bezeichnet Aneignungsprozesse, in denen „neue“ Informationen assimilativ
(PIAGET) den eigenen Wissensstrukturen und Deutungsmustern unterworfen und so
passgenau „zugerichtet“ werden, dass sie das bisherige Weltbild sichern und eben nicht
irritieren."
"[Mobilisierungsereignis:] In diesem
Bewegungsbegriff soll zum Ausdruck gebracht werden, dass nun Irritation nicht über
Negation, Trivialisierung oder Banalisierung außer Kraft gesetzt, sondern dass sie zum Anlass
für unmittelbar daran anschließende Aktivitäten genommen wird."
"Irritation wird als Enttäuschung von Erwartungen erkennbar, die als selbstverständlich
unterstellt worden waren, und man steht vor der Entscheidung, „ob man in diesem Falle die
Erwartung aufgeben oder ändern würde oder nicht. Lernen oder Nichtlernen, das ist die Frage."
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