Heiner Rindermann: Zunächst einmal ist es die Aufgabe der Wissenschaft, wahre Aussagen zu
formulieren, wahre und neue, also Erkenntnis zu schaffen und diese weiterzugeben. Wer was warum
dazu assoziiert, ist aus der Perspektive epistemischer Rationalität irrelevant. Auch ist unwichtig,
ob eine angenommene Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit Weltanschauungen vorliegt.
Wenn man nach der Farbe fragt, ist die Größe irrelevant. Aussagen sind auf ihren empirischen
Gehalt, auf ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, auf ihre Logik und Kohärenz mit anderen
bestätigten Aussagen hin zu überprüfen. Gerade bei „heißen“, „politischen“, „umstrittenen“ und
„historisch belasteten“ Themen ist es notwendig, sich im Denken zu orientieren. 2010 habe ich versucht,
dies so zu beschreiben:
„Unter epistemischer Rationalität ist eine explizit normative Dimension richtigen Denkens zu
verstehen, eine Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene und fremde Denken auf Wahrheit zu
orientieren. Probleme werden als kognitiv lösbare Fragestellungen und nicht als durch Intuition
oder Übernahme traditioneller Antworten abkürzbare Fragen, als durch Gewalt, autoritative
Entscheidung oder durch Zwangsmaßnahmen zu bewältigende Hindernisse verstanden.
Rationalität fordert den Einsatz von Denken, Intelligenz und Wissen zur Lösung von Problemen.
Das eigene Denken wird unter den Vorbehalt notwendiger Richtigkeit, Begründung und
Argumentation gestellt und ist prinzipiell durch Hinweis auf diese und überzeugendere Alternativen
einer Änderung möglich. In Interaktion mit anderen oder sich selbst wird im rationalen
Denken eine argumentative Haltung eingenommen, die gute Gründe, logische Kriterien
wie Widerspruchsfreiheit und empirische Belege gelten lässt, nur diese und nichts anderes,
nicht Überreden, Macht oder Ansehen der Person oder andere außerargumentative Kriterien.
In epistemischer Interaktion, sei sie persönlich oder nicht persönlich, wird eine angemessen
präzise, verständliche und inhaltsangemessene Sprache bis zur Sprache der Mathematik verwendet.“
Gerade bei heiklen Themen ist an den Kriterien der Vernünftigkeit und der Argumentativität festzuhalten.
Hierfür ist auch eine aufmerksame, wenn notwendig kritische Leserschaft hilfreich, die
Anregungen, Alternativen und Kritik formuliert, sich dabei aber auch selbst an Kriterien der Vernünftigkeit
und der Argumentativität orientiert.
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