"Sie wünschen zu wissen, wie ich es anfange, wenn ich etwas Gutes oder Kraftvolles komponiere. Je nun, das will ich Ihnen, wie Sie es gleich lesen sollen, explicieren, aber besser kann ich's nicht.
Wenn ich gut aufgelegt und ganz in meinem Fache bin, wenn ich einen Wagen fahre, oder nach einem guten Mitagessen einen Spaziergang mache, oder wenn ich im Bette liege und nicht einschlafen kann, dann kommen mir die Ideen haufenweise; wo sie herkommen, oder wie sie kommen, dies kann ich Ihnen nicht sagen. Die mir aber gefallen, die halt ich fest im Gedächtnis, zuweilen trillere ich solche (wie mir andere schon oft sagten) so vor mich hin. Wenn ich sie einmal fest gepackt habe, so gelingt es mir dann auch nach und nach aus dem ganzen Teige eine Pastete zu kneten, nach den Regeln des Kontrapunkts und nach der Natur der Beschaffenheit eines jeden Instruments. Ich gerate dann darüber in Begeisterung; wenn ich nicht gestört werde, so erweitern sich meine Ideen, entwickeln sich und werden immer klarer, und so ist die ganze Komposition in meinem Kopfe schon so weit zu Ende gebracht, dass, so groß und bedeutend sie auch sein mag, ich sie im Geist mit einem Blick übersehe, gerade so, als wie das Ganze eines schönen Gemäldes oder einer hübschen Figur sich vor meine Blicke stellt. Ich höre in meiner Einbildungskraft das Ganze auf ein Mal, nicht etwa nach und nach, wie es doch nachher nur gehört werden kann. ... - Die Verrichtung des Erfindens und der Fertigung geht in mir vor wie ein schöner Traum. Aber das Vermögen, alles so auf ein Mal hören zu können, dies ist das Allerschönste dabei. Was ich einmal so aufgefasst habe, vergesse ich nicht leicht wieder, und dies ist die größte Gabe, die mir Gott verliehen hat. Wenn ich alsdann anfange niederzuschreiben, so ziehe ich aus meinem Hirnkasten das hervor, was auf die Art, wie ich's Ihnen beschrieben habe, hineingekommen ist. Und weil also schon vorher das Ganze in meinem Kopfe war, so geht es auch mit dem Niederschreiben aufs Papier sehr geschwind."
"Aber wenn Sie mich fragen, wie es zugeht, dass alle meine Arbeiten die ihnen eigentümliche Mozartsche Manier haben und in nichts, auch nur im Mindesten, den Charakter von Kompositionen anderer Meister tragen, so kann ich Ihnen dies auf keine andere Art erklären, als dass es sich damit gerade so verhält als wie mit meiner Nase, welche durch ihre Biegung und Länge die echte Mozartsche Nase ist und die von allen andern Nasen verschieden ist. Ich suche die Originalität nicht, kann Ihnen aber auch von der meinigen keine genauere Erklärung geben. Warum sollte es denn in der Tat nicht ganz natürlich sein, dass die Menschen, von denen jeder seine eigene Physiognomie hat, auch im Innern sich eben so von einander unterscheiden müssten, wie sie im Äußern voneinander unterschieden sind? Ich weiß wenigstens, dass, was meine innere Physiognomie anbelangt, ich mir sie eben so wenig als meine äußere gegeben habe.
Nun aber, liebster Freund, bitte ich Sie gar schön, lassen Sie mich für immer in Ruhe und glauben Sie aber auch, dass ich, wenn ich diese Bitte tue, keinen anderen Grund dazu habe, als weil ich nicht um Stande wäre, Ihnen noch ein Wort darüber zu schreiben. Sie sind ein gelehrter Herr und werden kaum eine Vorstellung sich davon machen können, was ich für Mühe gehabt habe, um Ihnen nur so viel darüber zu schreiben."
Wolfgang A. Mozart
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