Samstag, 3. August 2024

Der Abend:

Oswald Spengler:
[Doch einige Poesie in diesem Werk vorhanden, Oswald Spengler hat zu schreiben gewusst.]

"Betrachte die Blumen am Abend, wenn in der sinkenden Sonne eine nach der andern sich schließt: etwas Unheimliches dringt dann auf dich ein, ein Gefühl von rätselhafter Angst vor diesem blinden, traumhaften, der Erde verbundenen Dasein. Der stumme Wald, die schweigenden Wiesen, jener Busch und diese Ranke regen sich nicht. Der Wind ist es, der mit ihnen spielt. Nur die kleine Mücke ist frei; sie tanzt noch im Abendlichte; sie bewegt sich, wohin sie will."

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Das Tier aber:

"Ein Tier aber kann wählen. Es ist aus der Verbundenheit der ganzen übrigen Welt gelöst. Jener Mückenschwarm, der noch am Wege tanzt, ein einsamer Vogel, der durch den Abend fliegt, ein Fuchs, der ein Nest beschleicht — sie sind kleine Welten für sich in einer andern großen."

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Die Augenwelt:


"Erst in der Augenwelt des Lichtes gibt es Fernen als Farben und Helligkeiten, erst in dieser Welt gibt es Tag und Nacht, sichtbare Dinge und sichtbare Bewegungen in einem weitgedehnten Lichtraum, eine Welt unendlich ferner Gestirne, die über der Erde kreisen, einen Lichthorizont des einzelnen Lebens, der weit über die Nachbarschaft des Leibes hinausreicht. In dieser Lichtwelt ... geschieht es, daß auf dem kleinen Erdenstern menschliche sehende Scharen wandern ... Für sein Auge zaubert der Mensch seine Bauten und setzt damit das leibliche Tastempfinden der Tektonik in lichtgeborne Beziehungen um, Religion, Kunst, Denken sind für das Licht entstanden und alle Unterschiede beschränken sich darauf, ob sie sich an das leibliche Auge oder an das „Auge des Geistes" wenden."

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Dasein und Wachsein:

"Ich unterscheide Dasein und Wachsein, Das Dasein hat Takt und Richtung, das Wachsein ist Spannung und Ausdehnung."

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Worte:

"Das Wort, ursprünglich der Name eines Sehdings, wird unvermerkt zum Kennzeichen eines Gedankendings, des „Begriffs". "

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Das theoretische Denken:

"Mit dem theoretischen Denken ist innerhalb des menschlichen Wachseins eine Art von Tätigkeit entstanden, welche nun auch den Kampf zwischen Dasein und Wachsein unvermeidlich gemacht hat. Der tierische Mikrokosmos, in dem Dasein und Wachsein zu einer selbstverständlichen Einheit des Lebens verbunden sind, kennt nur ein Wachsein im Dienste des Daseins. Das Tier „lebt" einfach, es denkt nicht nach über das Leben."

[In dem Sinn: Der Mensch, ein Lebewesen, das in der Lage ist, über das Leben nachzusinnen.]

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Die menschliche Wachheit:

"Das Wachsein sucht nicht nur sich selbst zu verstehen, sondern außerdem etwas, das ihm fremd ist. Mag eine innere Stimme ihm sagen, daß hier alle Möglichkeiten des Erkennens überschritten sind, die Angst überredet dennoch jedes Wesen, weiter zu suchen und lieber mit dem Schein einer Lösung vorlieb zu nehmen als mit dem Blick in das Nichts."

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Denken und Leben:

"Das Denken mag sich selbst noch so gewaltige Ziele setzen, in Wirklichkeit bedient sich das Leben des Denkens zu seinem Zwecke und gibt ihm ein lebendiges Ziel ganz unabhängig von der Lösung abstrakter Aufgaben. Für das Denken sind Lösungen von Problemen richtig oder falsch, für das Leben sind sie wertvoll oder wertlos."

"Der eigentlich lebendige Mensch, der Bauer und Krieger, der Staatsmann, Heerführer, Weltmann, Kaufmann, jeder, der reich werden, befehlen, herrschen, kämpfen, wagen will, der Organisator und Unternehmer, der Abenteurer, Fechter und Spieler, ist durch eine ganze Welt von dem „geistigen" Menschen getrennt, dem Heiligen, Priester, Gelehrten, Idealisten und Ideologen, mag dieser nun durch die Gewalt seines Denkens oder den Mangel an Blut dazu bestimmt sein. ... Alles Triebhafte und Treibende, der Kennerblick für Menschen und Situationen, der Glaube an einen Stern, den jeder zum Handeln Berufene besitzt und der etwas ganz anderes ist als die Überzeugung von der Richtigkeit eines Standpunktes;"

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