"Meine Gedanken mögen so paradox scheinen, als sie wollen: soviel weiß ich gewiss, dass für eine Gelegenheit, wo es nützlich ist, dem Zuschauer einen wichtigen Vorfall so lange zu verhehlen, bis er sich ereignet, es immer zehn und mehrere gibt, wo das Interesse gerade das Gegenteil erfordert. - Der Dichter bewerkstelligt durch sein Geheimnis eine kurze Überraschung; und in welche anhaltende Unruhe hätte er uns stürzen können, wenn er uns kein Geheimnis daraus gemacht hätte!"
"Nein: der tragischte von allen tragischen Dichtern [Euripides] dachte so geringschätzig von seiner Kunst nicht; er wusste, dass sie einer weit höheren Vollkommenheit fähig wäre, und dass die Ergötzung einer kindischen Neugierde das Geringste sei, worauf sie Anspruch mache. Er ließ seine Zuhörer also, ohne Bedenken, von der bevorstehenden Handlung ebensoviel wissen, als nur immer ein Gott davon wissen konnte; ..."
"Euripides sah es so gut, als wir, dass z. E. sein >Ion< ohne den Prolog bestehen könne; dass er, ohne denselben, ein Stück sei, welches die Ungewissheit und Erwartung des Zuschauers bis an das Ende unterhalte: aber eben an dieser Ungewissheit und Erwartung war ihm nichts gelegen."
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