Freitag, 22. Juni 2018

Ziellosigkeit und Müßiggang:

"[Man ist versucht], hinter dem Symptom des Müßigganges nach einem Konflikt zu suchen, der den Menschen nicht zur Bildung von Zielen kommen lässt."

"Ich habe mich oftmals gefragt, ob nicht sehr viele der Menschen, die sich durch unsere Geschäftsstraßen drängen - recht ziellos, ohne dass sie meist ernsthafte Absicht oder auch nur die Mittel für einen Kauf hätten - Müßiggänger sind, beladen mit inneren Widersprüchen, getrieben von der Angst, allein zu sein, und vom "horror vacui". Man merkt es schon ihrem Gang an, dass sie eigentlich nicht wissen, wohin sie wollen; was sie zu erwarten scheinen, ist ein Reiz, der ihre Unentschlossenheit zu überblenden vermöchte. Sie sind reizhungrig und schließlich den Neon-Röhren der Auslage dafür dankbar, dass sie ihnen ein qualvolles Selbstgespräch ersparen. Man weiß es von den Heranwachsenden, die voller innerer Spannungen stecken und die aus ihnen heraus manchmal nicht zu einer bestimmten Tätigkeit finden. Sie vertun dann ihre Zeit. Eine Zeit vertun, über einen Lebensabschnitt hinweggleiten, das ist das Anliegen des Müßigganges. Eine Zeit vertun, die einem später doch fehlen wird - man weiß es im voraus ziemlich deutlich, dass sie einem fehlen wird - das ist der Kunstgriff, mittels dessen sich der Müßiggänger des lähmenden Konflikts erledigt. Er wird die verlorene Zeit später irgendwie durch besondere Aktivität wieder einzubringen haben; ..."

"Die Menschen sind eigenartig: Sie geben vor, sich eine freie Zeit zu wünschen, und sie wissen mit nichts so wenig anzufangen, wie eben mit jener freien Zeit. Wird sie ihnen - etwa im Wochenende oder im Urlaub - zuteil, dann ergeht es ihnen nicht selten wie dem Mann im Märchen, dem die Erfüllung seiner Wünsche nur Verlegenheit bereitete. Man weiß, dass jede wohlgeordnete Gesellschaft überreich ist an Institutionen, deren hauptsächliche Aufgabe die Ausfüllung der Freizeit ist. Sie dienen der "Zerstreuung", heißt es - vielleicht sollte man besser sagen, der Befreiung vom Selbstgespräch."

Peter R. Hofstätter

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen