Samstag, 20. Oktober 2018

Mensch und Tier, Sprache und Handlungsplanung:

Gerhard Roth, Wie einzigartig ist der Mensch?:

"In zwei Bereichen sind die Unterschiede zwischen Mensch und nichtmenschlichen Tieren besonders groß, nämlich in der Fähigkeit zur mittel- und langfristigen Handlungsplanung und in der syntaktisch-grammatikalischen Sprache.

Menschenaffen, zum Beispiel Schimpansen, sind in der Lage, bestimmte Handlungen für einige Stunden (oder vielleicht etwas länger) im Voraus zu planen, die allermeisten anderen Tiere zeigen – von artspezifisch-instinktivem Verhalten abgesehen – keinerlei längerfristige Handlungsplanung. Es ist für alle Tiere äußerst schwierig, mithilfe des Arbeitsgedächtnisses Vorstellungen und Gedanken für mehr als eine Minute „im Kopf“ zu behalten – meist sind es nur wenige Sekunden. Bei uns Menschen ist es allein die „phonologische Schleife“ unseres Arbeitsgedächtnisses, mit der wir uns Dinge still aufsagen können (zum Beispiel Zahlen oder Namen), und dies hilft uns enorm bei der kurzfristigen Handlungsplanung. Eine über Tage hinausgehende Handlungsplanung ist ohne Symbole als Merkhilfen (etwa in Form eines Kalenders) nicht möglich.

Der syntaktisch-grammatikalischen Sprache scheint bei den kognitiven Leistungen des Menschen eine Schlüsselrolle zuzukommen, denn sie ermöglicht eine Art des Denkens, die allem nichtsprachlichen Denken haushoch überlegen ist. Der menschlichen Sprache liegt das Grundvermögen zur gedanklichen Bewältigung zeitlich aneinandergereihter Zeichen und Ereignisse zugrunde, und es ist gleichgültig, ob es dabei um gesprochene oder geschriebene Worte, Gebärden oder zu betätigende Tasten geht. Gehörlose verfügen in der Regel über intakte Wernicke- und Broca-Areale, und Störungen dieser Areale drücken sich bei Gehörlosen in entsprechender Weise in der Gebärdensprache aus wie bei sprechenden Personen in der Lautsprache. Menschenaffen kommen auch mithilfe der Gebärdensprache oder einer Computertastatur nicht über die Barriere einer Zwei- bis Drei-Wort-Sprache ohne deutliche Grammatik und Syntax hinaus. Es ist offenbar eine ganz generelle kognitive Fähigkeit zur zeitlichen Segmentierung, die in den Dienst der Sprache gestellt wurde."

[Siehe auch: Language as a mighty "intelligence amplifier", Sonderstellung des Menschen, The most clear-cut difference ...]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen